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Der Sicherheitsgurt in Kraftfahrzeugen
Informationen und Gedanken zum Lebensretter Nr. 1 im Straßenverkehr
Disclaimer:
Der Autor übernimmt keine Gewähr oder Haftung für die fachliche Korrektheit der Aussagen in diesem Beitrag. Der Artikel spiegelt nur die persönliche Meinung des Verfassers wider.
Die Informationen ersetzen keinesfalls die Hinweise im Handbuch bzw. der Betriebsanleitung des KFZ bzw. des Sicherheitsgurtes.
Historische Entwicklung
In den 60er Jahren waren in Deutschland nur wenige Autos mit Sicherheitsgurten ausgestattet. Dies ändere sicher erst, als ab dem 1.1.1974 alle Neuwagen mit Sicherheitsgurten für die Vordersitze ausgestattet sein mussten. Eine Anschnallpflicht bestand aber erst ab 1976, anfangs allerdings noch straflos, sie wurde daher von sehr vielen Autofahrern nicht beachtet.
Erst am 1.8.1984 wurde das Fahren ohne Sicherheitsgurt mit Bußgeld belegt.
Auf den Rücksitzen waren Gurte für Neuwagen ab 1979 vorgeschrieben, seit 2004 dürfen auch dort nur noch 3-Punkt-Gurte verwendet werden.
2-Punkt Beckengurte
Einfach Beckengurte wurden früher oft auf den Rücksitzen eingebaut, später nur noch dort in der Mitte, inzwischen auch dort 3-Punkt-Gurte vorgeschrieben. Heute sind Beckengurte vor allem in Reisebussen noch zu finden.
Beckengurte gab bzw. gibt es mit und ohne Aufrollautomatik. Bei der einfachen Ausführung ohne Automatik muss der Benutzer den Gurt von Hand auf die richtige Länge einstellen. Meist sind diese Gurte zumindest so konstruiert, dass man den Gurt verlängert, einrastet und dann einfach festzurrt. Automatikgurte hingegen funktionieren wie die heute jedem bekannten 3-Punkt-Automatikgurte mit Gurtrolle und Blockierung bei einem Unfall.
Daneben gab es aber auch eine Zwischenform, ich nenne sie mal "blockierende Automatikgurte". Diese haben ebenfalls eine Gurtrolle und zum Anschnallen zieht man den Gurt in der nötigen Länge heraus und klickt ihn ein. Sobald der Zug auf die Rolle jedoch einmal nachgelassen hat, kann der Gurt nicht erneut weiter herausgezogen werden. Wenn man also nach dem Anschnallen den Gurt straff zieht - was man sollte - verhält er sich anschließend wie ein Statikgurt. Erst nach dem Öffnen des Gurtes und dem völligen Aufrollen kann man ihn wieder aus der Rolle herausziehen. Diese Version ist - jedenfalls für Beckengurte - meiner Meinung nach deutlich im Vorteil. Bieten Beckengurte sowieso schon eine stark reduzierte Schutzwirkung, so wird diese durch einen zu locker anliegenden Automatikgurt noch weiter reduziert. Dies kann durch die Blockierung vermieden werden.
3-Punkt Sicherheitsgurte
In seiner Automatik-Version ist dies der heute in fast allen Autos verbaute Standard-Gurt, beschreiben muss ich ihn daher nicht.
Die ersten 3-Punkt Gurte hatten jedoch noch keine Automatik, die korrekte Länge musste vom Fahrer von Hand eingestellt werden. Dies war mühsam und natürlich auch abhängig von der Dicke der Kleidung. Oft wurde der Gurt sicherlich viel zu locker eingestellt, ein straff sitzender Statikgurt wurde nicht nur häufig als unbequem empfunden, sondern war auch für den Fahrer ein Problem, wenn er sich zum Beispiel beim Abbiegen nach vorne lehnen wollte, um besser sehen zu können. - Auf der anderen Seite ist ein straff sitzender Statikgurt aus Sicherheitsgründen durchaus im Vorteil, da der Gurtschlupf auf ein Minimum reduziert ist.
Eine besondere Form von 3-Punkt-Gurten habe ich in USA kennengelernt. Dabei sind der Beckengurt und der Diagonalgurt zwei völlig getrennte Gute. Das bedeutet, man muss jedes Mal beide Gurte anlegen, sicherlich lästig. Ein kleiner Vorteil ist jedoch, dass sich der Schlupf von Beckengurt und Diagonalgurt nicht addiert, was im Einzelfall der Sicherheit zugute kommen könnte.
Manche KFZ-Hersteller verbauen auf den äußeren Rücksitzen 3-Punkt-Gurte ähnlich dem oben erwähnten "blockierendem Automatik-Beckengurt".
Diese funktionieren normalerweise wie jeder andere Automatikgurt. Nur wenn man den Gurt einmal komplett aus der Rolle zieht, aktiviert sich eine Sperre. Man kann den Gurt nun soweit wie nötig wieder aufrollen, ein erneutes Herausziehen ist dann aber nicht mehr möglich, bis man sich abschnallt und den Gurt komplett aufrollt. Einmal angelegt festgezogen wirkt der Gurt also wie ein 3-Punkt-Gurt ohne Rolle mit den entsprechenden Vorteilen (Sicherheit) und Nachteilen (Komfort).
Gedacht ist diese Funktion für die Verwendung in Zusammenhang mit Kindersitzen, wo der Gurt ja nur den Sitz möglich gut festhalten soll, während das Kind selbst mit dem Sitz-eigenen Gurt festgeschnallt wird. Dennoch kann diese Sperrfunktion natürlich auch von Erwachsenen genutzt werden, sie erhöht wie gesagt ein wenig die Sicherheit und man sitzt stabiler, falls man zum Beispiel ein Schläfchen halten will.
Zumindest auf den Vordersitzen, teilweise aber auch auf den Rücksitzen hat inzwischen zusätzliche Technik Einzug gehalten, um den wichtigsten Nachteil der 3-Punkt Automatikgurte zu reduzieren: In den meisten Fällen liegen die Gurte zu locker am Körper an. Im Falle eines Unfalls ist der Gurt damit eigentlich zu lang und es kommt zu einer unnötig weiten und gefährlichen Vorverlagerung des Oberkörpers und/oder zum Submarining-Effekt, also dem Durchrutschen des Oberkörpers durch den Beckengurt. Der Gurtstraffer reduziert die Gurtlänge im Falle eines Unfalls blitzartig, um diese gefährlichen Effekte zu reduzieren. Hinzu kommt heute oft noch ein Gurtkraftbegrenzer, um die auf den Körper durch den Gurt wirkenden Kräfte ein wenig abzumildern.
Zur Benutzung
Der Schultergurt verläuft hier bereits etwas zu nahe am Hals.
Ein derart falsch angelegter Gurt kann im Falle eines Unfalls zu schwersten Verletzungen im Bauchbereich führen!
Hinweise zur Benutzung von 3-Punkt-Automatikgurten, die so ähnlich eigentlich auch in jedem KFZ Handbuch stehen:
1. Um im Ernstfall Verletzungen möglichst zu vermeiden, muss der Gurt stets in der korrekten Position verlaufen. Dies setzt eine entsprechende Sitzhaltung der Person voraus.
Auf dem Rücksitz weit nach vorne gebeugt, in einer halben Liegestellung usw., in solchen Situationen kann kein wirklicher Schutz gewährleistet werden!
2. Der Schultergurt muss korrekt über die Schulter laufen und darf keinesfalls zu nahe am Hals liegen. Aktuelle Fahrzeuge bieten dafür die Möglichkeit, die Höhe des oberen Befestigungspunktes entsprechend einzustellen.
3. Der Gurt muss straff anliegen, um im Ernstfall nicht zu viel Schlupf zu haben. Man sollte ihn daher während der Fahrt öfters mal mit der Hand nachziehen.
Hosenträgergurte
Aus dem Rennsport stammen die sogenannten Hosenträgergurte (kurz oft "H-Gurte" genannt). Diese bestehen aus einem
Beckengurt und zwei von dort über die Schultern nach hinten laufenden Schultergurten. Im Rennsport gibt es sie auch
als 5- oder 6-Punkt-Gurte mit zusätzlichen "Schrittgurten", welche nach unten durch entsprechende Öffnungen in den
dort verwendeten Schalensitzen führen.
Während hierbei früher starre Gurte üblich waren, sind nun hauptsächlich Gurte mit Automatik für die
Schultergurte verbreitet. Der Beckengurt bleibt dabei immer fest angezogen, während die Rolle für die Schultergurte
eine Bewegungsfreiheit bietet, wie man sie auch bei den normalen 3-Punkt-Gurten gewöhnt ist. Die besseren Versionen bietet
dabei eine elektronische Kontrolle der Gurtrolle für besseren Schutz im Falle eines Unfalls.
Übrigens wird bei H-Gurten auch zwischen 3-Punkt und 4-Punkt Gurten unterschieden. Bei 3-Punkt H-Gurten werden die
beiden Schultergurte hinter dem Sitz zusammengeführt und es gibt dort nur einen Befestigungspunkt an der Karosserie.
Bei "echten" 4-Punkt Gurten hat jeder Schultergurt einen eigenen Befestigungspunkt.
In normalen PKWs lassen sich H-Gurte heute meist nur noch schwierig einbauen und haben in jedem Fall den
Nachteil, dass die Rücksitze nicht mehr benutzbar sind. Optimalerweise sollten H-Gurte in Verbindung mit Schalensitzen verwendet werden, da diese entsprechende Öffnungen in Schulterhöhe besitzen, um einen optimalen Gurtverlauf zu gewährleisten.
H-Gurte haben bei Frauen den Nachteil, dass die Schultergurte oft mehr oder weniger über die Brüste verlaufen, eine ungünstige Konstellation.
In diesem Zusammenhang wäre die Frage, warum eigentlich noch niemand einen doppelten Diagonal-Gurt entwickelt hat. Im Prinzip ähnlich wie die H-Gurte, nur dass die Schultergurte - wie beim normalen 3-Punkt-Gurt - diagonal über den Oberkörper verlaufen.
Gurte und Haltesystem für spezielle Anforderungen
Haltegurt von Crelling kombiniert mit serienmäßigem 3-Punkt-Gurt
Hierbei handelt es sich nicht um Sicherheitsgurte im eigentlich Sinne, vielmehr sind es quasi Hilfsmittel um die Person in einer Körperhaltung zu halten, die für die ordnungsgemäße Funktion des eigentlichen Sicherheitsgurtes erforderlich ist.
Diese Gurte dienen zum Beispiel dazu, um manche behinderte Personen in einer aufrechten Sitzposition zu halten.
Andere Gurte sollen ein unkontrolliertes "Herumturnen" bei (unruhigen)
Kindern und Jugendlichen verhindern. Alle diese Gurte bieten keinen Schutz bei einem Unfall und müssen daher mit einem normalen
Sicherheitsgurt kombiniert werden. Die Gurte werden durchwegs an der Sitzlehne befestigt und sind daher für fast
alle PKWs und viele andere Fahrzeugtypen geeignet. Einige Modelle gibt es nur für Kinder oder Jugendliche, in vielen Fällen sind aber
auch Erwachsenengrößen erhältlich.
Hier folgt eine Liste der mir bekanten Anbieter bzw. Hersteller:
Dieser Hersteller bietet ein ganzes Gurt-System mit verschiedenen Komponenten je nach Anforderung. Zusätzlich gibt es seit ein paar Jahren einen weiteren Gurt "Cross-it" mit einigen Optionen.
Die Gurte ^können mittlerweile direkt beim Hersteller bestellt werden.
Ein englischer Hersteller mit einer großen Produktpalette an Gurten für "Kinder und Erwachsene mit besonderen Anforderungen".
Ein Bestellformular befindet sich auf der Internetseite, ich habe aber noch nicht getestet, ob damit eine Lieferung
nach Deutschland klappt.
Produkte von Careva findet man gebraucht öfters auf eBay UK, allerdings sind nur wenige Verkäufer dort bereit, auch ins Ausland zu versenden.
Nach dem Brexit dürfte der Bezug dieser Gurte in D noch deutlich schwieriger sein.
Links und Literaturnachweis